Die aktuelle vbw Studie Arbeitslandschaft 2025 prognostiziert, dass bis zum Jahr 2025 in Deutschland 2,9 Millionen Fachkräfte am Arbeitsmarkt fehlen werden. In Bayern wird zu diesem Zeitpunkt ein Mangel in Höhe von 350.000 Fachkräften erwartet, ein erheblicher Teil davon im Bereich Informations- und Kommunikationstechnik, technische Entwicklung / Konstruktion / Produktionssteuerung. Mit der Initiative Fachkräftesicherung FKS+, die die vbw in Kooperation mit der Bayerischen Staatsregierung umsetzt, werden bereits wichtige Schritte unternommen, um diese Lücke zu schließen. Diese Maßnahmen müssen konsequent fortgeführt und passgenau ergänzt werden. Nicht nur in der Breite, auch an der absoluten technologischen Spitze müssen die richtigen Fachkräfte (z. B. Wissenschaftler) gewonnen und langfristig gehalten werden.
Die in Kachel 02.2.1 skizzierten Rahmenbedingungen spielen auch bei der Fachkräftegewinnung und -bindung eine wichtige Rolle. Das gilt besonders für die „weicheren“ Faktoren wie serviceorientiertes Behördenhandeln (z. B. bei der Anerkennung von Abschlüssen, der Erteilung von Genehmigungen) oder familienfreundliche Angebote. Hier sind besonders die Kommunen gefordert.
Die Ergebnisse anwendungsnaher Forschungsprojekte zu Zukunftstechnologien müssen noch schneller in Maßnahmen für lebenslanges Lernen „übersetzt“ werden. Ein Vehikel dafür könnte die bereits bestehende Projektförderung des Bundes sein: Die entsprechenden Ausschreibungen könnten in passenden Fällen beispielsweise ein konkretes Qualifizierungskonzept als Teil des Ergebnisses einfordern, für das fünf bis zehn Prozent der jeweils beantragten Fördersumme vorzusehen sind. Gleichermaßen können auch Geschäftsmodelle oder die Beschreibung möglicher Anwendungsgebiete schon im Call for Projects (Aufforderung zur Einreichung von Projektskizzen) vorgegeben werden.
Um Fachkräfte von morgen zu gewinnen, müssen z. B. bereits vorhandene Informatik- und Robotik-Angebote an Schulen konsequent weiter ausgebaut werden. Schulen müssen dazu beitragen, die neue Technologie in die Breite zu tragen und gleichsam zu demokratisieren. Neben Grundkenntnissen in und Interesse an Programmierung ist es wichtig, Zugangshürden möglichst weit zu senken und eine intuitive Erfassung zu erleichtern. Vorbild können etwa die Angebote an allgemeinen und beruflichen Schulen in Niedersachsen sein. Dort sind im Rahmen des Projekts Mensch-Roboter- Kollaboration – Robonatives die Einrichtung von zunächst fünf Zentren an berufsbildenden Schulen in unterschiedlichen Berufsfeldern sowie Technologielabore zum Thema kollaborative Roboter an rund 50 weiterführenden allgemeinbildenden Schulen vorgesehen. An der Universität Hannover ist eine erste roboterfabrik eingerichtet, die sich an Schüler von allgemein- und berufsbildenden Schulen sowie an Auszubildende und Studenten richtet. Die Lernortkooperation muss noch stärker gefördert werden. Vielversprechend ist z. B. der systemintegrierende Ansatz der Digitalen Lernfabrik, bei dem die Wirtschaft Hand in Hand mit den Berufsschulen arbeiten kann.
Spezielle Inhalte (Coding, Robotik) lassen sich gut auch schon in unteren Jahrgängen in spielerischer Form in den Unterricht integrieren– das Angebot an passender Hard- und Software (z. B. Lego Mindstorms, Open Roberta, Calliope mini, Raspberry Pi etc.) ist inzwischen groß. Die Initiativen zur Ausstattung von Schulen müssen fortgeführt werden. Wichtig ist ferner, in allen Phasen der Lehrerausbildung entsprechende Qualifizierungen in ausreichendem Maße durchzuführen, damit die Aktivitäten sinnvoll im Unterricht eingesetzt werden können.
Das positive Image von Technologien und Innovationen in der Gesellschaft ist ein weiteres wichtiges Element, da davon auch abhängt, ob sich die Menschen für ein Innovationsthema interessieren, sich ihm aktiv zuwenden und dafür gezielt Qualifikationen erwerben oder naturwissenschaftlich-technische Berufe ergreifen; vergleiche dazu Kachel 02.5 und 02.4.1, Ausklapper 9.
Ergänzend zum Kompetenzmonitoring auf betrieblicher Ebene (vgl. Kachel 01.4) muss es auch auf regionaler Ebene ein Kompetenzmonitoring geben. Hierzu muss die Bundesagentur für Arbeit (BA) ein Kompetenzmonitoring mit einer etwas breiteren Perspektive durchführen. Dessen Ziel muss es sein, zu klären,
Es müssen zudem Möglichkeiten geboten werden, das individuelle Kompetenzprofil zu erfassen und mit am Arbeitsmarkt benötigten Jobprofilen und Kompetenzprofilen abzugleichen. Viele Unternehmen führen bereits eine Bedarfsermittlung durch. Eine Herausforderung für die Unternehmen ist es jedoch, eine aussagekräftige Prognose über die zukünftigen Kompetenzanforderungen zu stellen und darauf basierend passende Qualifizierungsangebote auszuwählen. Deshalb sind regionale Aufklärungsmaßnahmen darüber notwendig, welche Kompetenzfelder und Jobprofile im technologischen Wandel und insbesondere im Kontext der digitalen Transformation benötigt werden.
Das unerschlossene Potenzial von Frauen in der Technologieentwicklung muss mit geeigneten Maßnahmen gehoben werden. Modellhaft kann hier ein Projekt in der Robotik und KI sein: Die MSMR will im Rahmen einer „50 – 50 Initiative“ ein gleichgestelltes, gleichberechtigtes Arbeitsumfeld für Frauen und Männer konzipieren und umsetzen, in dem durchgehend 50 Prozent Frauen und 50 Prozent Männer teilnehmen, bzw. im Organisationsteam sind. Frauen bzw. Mädchen sollen für die Robotik und Künstliche Intelligenz begeistert und etwaige Berührungsängste abgebaut werden; hierfür soll auch die Koedukation in dem Thema auf den Prüfstand gestellt werden. Gleichzeitig soll durch die Erfahrung eines geschlechtergerechten Arbeitsumfelds die gesteigerte Effektivität und auch Kreativität dieser Umgebung sowohl den weiblichen als auch den männlichen Teilnehmenden erkenntlich gemacht werden. Sämtliche Maßnahmen folgen einem „Purpose Driven“-Ansatz und sollen sowohl Wert für die Wissenschaft als auch besonders für die Gesellschaft haben, wobei die drei großen Leitthemen der MSRM – Zukunft der Gesundheit, Arbeit und Mobilität – im Vordergrund stehen. Wenn das gelingt, kann die MSRM als Kristallisationspunkt für eine bayernweite Strategie dienen. Die hierfür entwickelten Maßnahmen können im Nachgang auf andere Universitäten übertragen werden. Die MSRM entwickelt dazu Strategien und unterstützt bei der Umsetzung. Zuerst werden die folgenden skalierbaren Maßnahmen an der MSRM konzipiert, getestet und umgesetzt: 1. Leadership Level: „Nachwuchsforschungsgruppen Robotics and AI“, 2. PhD Level: „AI-Role Model Lecture Series“, 3. Student Level: „50 – 50 Award Next Gen AI“, 4. School Level: „Roboterfabrik Camps“.