Ziel muss es sein, allen bei uns lebenden Menschen, unabhängig von Region und Wohnort, eine angemessene Versorgung mit Gesundheits- und Pflegeleistungen zu bieten, einschließlich des Zugangs zu einer schnellen Notfallversorgung (etwa bei einem Schlaganfall). Die Regionen entwickeln sich allerdings nicht gleichmäßig, weder im Hinblick auf die Demografie noch auf andere Faktoren wie Wirtschaftskraft und Infrastruktur. In einigen Räumen zeichnen sich daher heute Versorgungslücken ab.
Einen Teil des Bedarfs wird man über den Einsatz neuer Technologien decken können (z. B. Telemedizin, Assistenzsysteme für den Einsatz im eigenen Heim etc.), aber es wird auch langfristig den persönlichen Ansprechpartner vor Ort bzw. in gut erreichbarer Entfernung geben müssen.
Die technologische Entwicklung wird einen wichtigen Beitrag leisten, um den Fachkräftemangel abzumildern. Zusätzlich muss aber für eine langfristig bedarfsgerechte Versorgung mit ärztlichen Leistungen sowohl bei einer besseren Allokation der vorhandenen Ärzte als auch bei der Ausbildung, die mehr geeigneten Kandidaten den Weg in den Arztberuf ermöglichen sollte, angesetzt werden.
Wir brauchen für ausgebildete Ärzte Anreizsysteme zur Übernahme von Landarztpraxen in jenen Räumen, die vom demografischen Wandel besonders betroffen sind und gleichzeitig über eine geringe Versorgungsquote verfügen.
Erforderlich ist außerdem eine Erhöhung der Anzahl der Studienplätze in Deutschland. Im Jahr 2000 gab es bundesweit zum Wintersemester ungefähr 7.800 Plätze für den Studiengang Medizin, zum Wintersemester 2017/18 waren es knapp 9.200 Studienplätze. Das entspricht zwar einem Anstieg von 20 Prozent, allerdings hat sich die Nachfrage von 20.000 auf über 43.000 im selben Zeitraum mehr als verdoppelt. Ein erster Schritt in diese Richtung ist die Umwandlung des ehemaligen Klinikums in Augsburg zu einem Universitätsklinikum. Dadurch kann ab Oktober 2019 die Universität Augsburg erstmals ein Medizinstudium anbieten. Den Studiengang Humanmedizin werden zunächst ca. 80 und in den folgenden Jahren über 200 Studienanfänger pro Jahrgang beginnen.
Es ist auch eine Anpassung der Zulassungsvoraussetzungen für das Studium erforderlich, um zum Beispiel regionale Aspekte bei der Vergabe der Studienplätze stärker zu berücksichtigen. Bisher schon können 60 Prozent der Studienplätze über von den Universitäten festgelegte Aufnahmekriterien vergeben werden, was unterschiedlich gehandhabt wird. Nach der aktuellen Entscheidung der Kultusministerkonferenz soll künftig die Wartezeitquote wegfallen, es sollen aber auch künftig 20 Prozent der Plätze alleine über die Abiturnote vergeben werden. Entscheidend ist bei der weiteren Ausarbeitung, den Rahmen für transparente und auf Eignung ebenso wie auf den bestehenden Bedarf ausgerichtete Verfahren an den Hochschulen zu setzen. Dabei müssen die Zulassungsvoraussetzungen und die anschließende Ausbildung sicherstellen, dass die Bewerber tatsächlich die erforderlichen Kompetenzen auch für den Einsatz in unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Regionen mitbringen. Außerdem muss sichergestellt werden, dass die Universität den (prognostizierten) regionalen Bedarf tatsächlich kennt, um ihn bei der Auswahl berücksichtigen zu können.
Um eine bedarfsgerechte Versorgung mit Pflegeleistungen zu gewährleisten, bedarf es eines ganzen Bündels an Maßnahmen, wobei die Anforderungen regional unterschiedlich sind. Ein wichtiges Ziel ist, dass Menschen so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können, wobei technische Assistenzsysteme eine wichtige Unterstützung sind. Daneben muss aber auch eine bayernweite Verfügbarkeit an Pflegekräften gewährleistet sein. Ein wichtiger Aspekt ist hier beispielsweise bezahlbarer Wohnraum, aber auch eine gesteuerte Zuwanderung gewinnt an Bedeutung.
Auch die Frage, wie der Pflegeberuf selbst attraktiver gemacht werden kann, darf dabei nicht ausgeklammert werden. Dazu müssen neben einem verstärkten Einsatz von Assistenzsystemen z.B. auch Personalentwicklungsmaßnahmen mit in den Blick genommen werden, um realistische Aufstiegsmöglichkeiten für das Pflegepersonal anbieten zu können und die Verweildauer im Beruf zu erhöhen.
Mehr als 400 Krankenhäuser – davon fünf Universitätskliniken – gewährleisten derzeit in Bayern die akutstationäre Versorgung von gesetzlich Versicherten. Diese Krankenhäuser verfügen über mehr als 73.000 Betten sowie rund 4.000 teilstationäre, d. h. tagesklinische Plätze. Der Anteil der Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft (z. B. Kommunen, Landkreise oder Bezirke) ist in Bayern überdurchschnittlich hoch. Auch im Freistaat ist eine Tendenz zu mehr Konsolidierung bzw. Zentralisierung zu beobachten.
Der Krankenhausplan des Freistaats benennt als Aufgabe der staatlichen Krankenhausplanung die Gewährleistung eines bedarfsgerechten, funktional abgestuften und effizient strukturierten Netzes möglichst gleichmäßig über das Staatsgebiet verteilter, einander ergänzender Krankenhäuser. Krankenhäuser der ersten Versorgungsstufe (Grundversorgung) sollen – in Abhängigkeit vom bestehenden Bedarf – in Oberzentren und Mittelzentren zur Verfügung gestellt werden. Bei der Bedarfsermittlung wird als einer der Faktoren (neben Krankenhaushäufigkeit, Verweildauer und Bettennutzung in Bayern) die Einwohnerzahl im jeweiligen Regierungsbezirk berücksichtigt. Die Planung wird regelmäßig fortgeschrieben. Mit dem demografischen Wandel, von dem die bayerischen Regionen unterschiedlich stark betroffen sind, kann sich danach also die Bedarfsbeurteilung und in der Folge die Förderfähigkeit ändern. Das darf nicht dazu führen, dass die zurückzulegenden Wege gerade im ländlichen Raum unangemessen lang werden. Die Gleichmäßigkeit der Verteilung muss auch angesichts des Gebots einer Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse so ausgelegt werden, dass – noch zu definierende – Wegzeiten zwischen Wohnort und nächstgelegenem Krankenhaus nicht überschritten werden.
Der Zugang zu Medikamenten muss ebenfalls flächendeckend sichergestellt sein. Bayern liegt mit 25 Apotheken je 100.000 Einwohner leicht über dem Bundesdurchschnitt von 24. Auch hier kann sich mit dem demografischen Wandel und aufgrund anderer Faktoren (bspw. Kaufkraft, Konkurrenz durch Versandapotheken) insbesondere in ländlichen Räumen eine Schieflage ergeben. Wenn regional oder lokal mit Blick auf die Versorgung in der Fläche eine Handlungsnotwendigkeit entstehen sollte, wäre ein Verbot von Versandapotheken der falsche Weg. Ein solches Verbot ist europarechtlich im Hinblick auf den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr nicht haltbar und zudem überflüssig: Aktuell macht der Versandhandel nur etwas mehr als ein Prozent aus.
Denkbar sind Anreizmodelle wie ein regional gestaffelter Beratungszuschlag, mit dem der Bedeutung als unmittelbare Anlaufstelle für Gesundheitsfragen in ohnehin schwächer mit medizinischem Personal versorgten Gebieten Rechnung getragen wird.