Prävention bezeichnet Maßnahmen, mit denen
Der Präventionsgedanke ist von allen Beteiligten weiterzuentwickeln.
Gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels gewinnt die Prävention an Bedeutung. Es gilt, die Medikalisierungsthese zu widerlegen, wonach die Zunahme von Menschen in der oberen Altersgruppe auch zu einer Zunahme der Leistungsausgaben führt. Wenn ältere Menschen die zusätzlichen Jahre in Gesundheit verbringen, nützt das nicht nur dem Einzelnen, sondern auch dem Gesundheitssystem insgesamt. Die Datengrundlage – d. h. der Einfluss präventiver Maßnahmen – ist heute schon gut, die Erkenntnisse werden jedoch zu wenig genutzt.
Die Gesundheit wird zu 30 bis 50 Prozent vom eigenen Verhalten – zum Beispiel Therapietreue, Bewegung, Ernährung etc. – bestimmt, das damit noch vor der genetischen Veranlagung oder dem Lebensumfeld der wichtigste Faktor ist.
Tatsächlich sind immer mehr Menschen dazu bereit, in ihre eigene Gesundheit zu investieren, was den Effekt der staatlich oder von den Trägern der Gesundheitswirtschaft betriebenen Prävention zusätzlich verstärkt. Das gilt allerdings nicht zwangsläufig für besondere Risikogruppen, die durch Prävention aber ebenfalls erreicht werden müssen.
Der Einzelne muss bei einem möglichst gesundheitsfördernden Verhalten unterstützt werden, ohne ihn zu bevormunden.
Eine stärkere Sensibilisierung für die Einflussmöglichkeiten auf die eigene Gesundheit – etwa durch zielgerichtete Informationen über bestehende Präventionsangebote – ist ein wichtiger erster Schritt, um die Eigenverantwortung zu stärken. Die aktuellen Angebote beispielsweise des Bayerischen Gesundheitsministeriums (StMGP) oder des beim Landwirtschaftsministerium angesiedelten Kompetenzzentrums für Ernährung (KErn) gehen in die richtige Richtung. Ein weiteres Beispiel aus dem unternehmerischen Bereich sind Versicherungstarife oder Bonusprogramme, die gesundheitsförderndes Verhalten belohnen, wie sie viele Krankenkassen bereits im Angebot haben.
Prävention kann nicht losgelöst von der Frage, wie das Gesundheitssystem mit verschiedenen Risikofaktoren umgeht, betrachtet werden. Das betrifft potenziell gesundheitsschädliche Verhaltensweisen des Einzelnen, also den Umgang mit bekannten allgemeinen Risikofaktoren, genauso wie die immer genaueren Verfahren zur Bestimmung des individuellen Risikos hinsichtlich bestimmter Erkrankungen (Screening). Die Auswertung großer Datenmengen über längere Zeiträume hinweg wird ebenfalls zusätzliche und belastbarere Erkenntnisse über entsprechende Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge mit sich bringen.
Finanzierbarkeit der Leistungen
Es stellt sich zum einen die Frage, ob und in welchem Umfang Ausgaben für Prävention über das Gesundheitssystem finanziert werden können und sollen. Das reicht von Physiotherapie zur Vorbeuge von Muskel-Skelett-Erkrankungen bis hin zu präventiven chirurgischen Eingriffen an noch nicht befallenen Organen. Letztlich wird diese Frage nur in jedem Einzelfall gesondert und unter Berücksichtigung des spezifischen Verhältnisses von erwarteten Vorteilen (Wahrscheinlichkeit des Eintritts, Ausmaß der (erwarteten) Verbesserung, ersparte Aufwendungen etc.) einerseits und mit der Maßnahme verbundenen Nachteilen (z. B. Risiken oder Nebenwirkungen für den Einzelnen, Kosten) andererseits beantwortet werden können, wobei eine ganzheitliche und möglichst langfristige Sicht anzuwenden ist. Hierfür muss ein transparenter Entscheidungsmechanismus entwickelt werden, da im Ergebnis für bestimmte entdeckte Risikofaktoren keine Leistungsübernahme möglich sein wird: sei es wegen des vergleichsweise geringen Risikos, ggf. bei gleichzeitig hohen Kosten, fehlenden Handlungsoptionen (z. B. einer anerkannten Therapie für eine bestimmte Krankheit) oder des Bestehens alternativer verhaltensgetragener Ansätze. Bei nachgewiesenen positiven Wirkzusammenhängen müssen Präventionsmaßnahmen schon allein deshalb über das Gesundheitssystem finanziert werden, weil dieses letztlich von ihnen profitiert.
Gesundheitsförderndes Verhalten
Zum anderen wird zunehmend die Frage aufkommen, inwieweit gesundheitsförderndes Verhalten des Einzelnen vorausgesetzt und berücksichtigt werden kann. Spätestens dann, wenn die Kosten eines Screenings von einer Krankenkasse übernommen werden, wird diese im Hinblick auf entdeckte Risikofaktoren Erwartungen an das Verhalten des Patienten knüpfen und ggf. die Erstattungsfähigkeit bestimmter Leistungen davon abhängig machen. Im zahnmedizinischen Bereich gibt es bereits erste Ansätze in diese Richtung. Grundsätzlich sind freiwillige Zusatzversicherungen für bestimmte Risiken ein sinnvoller Weg. Diese stehen aber nicht allen Bevölkerungsschichten gleichermaßen offen. Es muss entschieden werden, wie viel „Basisversorgung“ auch bei unvernünftigstem Verhalten (zulasten der Solidargemeinschaft) gewährleistet werden muss und welcher Grad an Gewissheit über den Ursache-Wirkungs-Zusammenhang erforderlich ist.
Risikokompetenz
Schließlich ist auch eine bessere Wissensvermittlung zur Einschätzung von Risikofaktoren („Risikokompetenz“) notwendig. Das betrifft den medizinischen Bereich, wo oftmals Gesundheitsstatistiken bereits falsch interpretiert werden, ebenso wie die Entscheidungen über die o. g. Fragen und vor allem auch die Information der Gesellschaft. Ein wichtiges Beispiel hierfür ist der Unterschied zwischen relativen und absoluten Risiken: so wird ein Anstieg des Risikos für eine Thrombose bei einer bestimmten Generation von Kontrazeptiva von 1:7.000 auf 2:7.000 in der Regel noch keinen Aktionismus hervorrufen. In relativen Zahlen handelt es sich allerdings um einen Risikoanstieg um alarmierende 100 Prozent. Die Gesundheitsbehörde muss sehr sorgfältig abwägen, ob Letzteres hier wirklich die geeignete Information sein kann. Konkret hat dies in Großbritannien zu einer Vielzahl unerwünschter Schwangerschaften und Abbrüche geführt. Solange Wissen über Statistik nicht breiter vorhanden ist, muss jedenfalls bei gesundheitsrelevanten Fragen wie diesen wesentlich stärker auf den Empfängerhorizont abgestellt werden.