Übergeordnetes Ziel muss es sein, das gesamte Gesundheitssystem innovationsfreundlicher und technologieoffener aufzustellen, damit neue technologische Lösungen schnellstmöglich ihren Nutzen nachweisen und entfalten können.
Ohne einen entschiedenen Willen, die digitale Transformation auch im Gesundheitsbereich auszurollen, und eine konsequente Förderung dieses Ziels können neue Technologien ihren Nutzen nur sehr eingeschränkt entfalten. Erster und entscheidender Schritt ist die konsequente, flächendeckende Erfassung, Speicherung, Verknüpfung und Nutzung der Patientendaten.
Die Telemedizin verspricht große Verbesserungen für die Versorgung in der Fläche sowie für die Nachsorge oder für die Versorgung von Notfallpatienten. Ein weiterer Anwendungsbereich können in die Infrastruktur eingebundene Apotheken sein, um bei eindeutigen Indikationen auch außerhalb der üblichen Erreichbarkeitszeiten von Arztpraxen den Zugang zu Medikamenten wie beispielsweise Antibiotika zu gewährleisten.
Die Daten aus den bisherigen Pilotprojekten zeigen vielversprechende Ergebnisse, zum Beispiel im Bereich der chronischen Herzinsuffizienz: deutlich gesenkte Mortalitätsraten, weniger erneute stationäre Behandlungen und damit auch ein spürbarer Return on Investment. Bayern ist im Bereich Telemedizin vergleichsweise gut aufgestellt, z. B. mit der Telemedizin-Allianz in Ingolstadt und vielen vom Ministerium geförderten Projekten.
Wichtig ist, die Erfahrungen aus den Pilotprojekten besser zu nutzen und sich jetzt auf die Skalierung zu konzentrieren: Die Telemedizin muss in der Fläche ausgerollt und zügig bei weiteren Anwendungsfällen eingesetzt werden, beispielsweise in der Schlaganfallnachsorge.
Das Fernbehandlungsverbot ist nicht mehr zeitgemäß. Auch eine ausschließliche Fernbehandlung muss mehr als nur im Einzelfall möglich sein. Die vom 121. Ärztetag beschlossene Änderung der Muster-Berufsordnung geht in die richtige Richtung, aber wir brauchen einen echten Paradigmenwechsel. Für die Umsetzung sind die Ärztekammern gefordert, ihre Berufsordnungen entsprechend anzupassen.
Dabei muss eine durchgehende Vernetzung sichergestellt werden. Die private Hardware der Patienten (und erst recht eine von den Leistungserbringern bereitgestellte Hardware für den Heimgebrauch) muss mit der Infrastruktur in Arztpraxen, Krankenhäusern etc. kompatibel sein und problemlos kommunizieren können. Außerdem muss das Thema Wartung gleich mitgedacht werden.
Gerade in der Pflege gibt es bereits eine Vielzahl innovativer Anwendungen (z. B. Assistenzsysteme, Ambient Assisted Living), die teilweise schon lange bis zur Marktreife entwickelt sind und jetzt in die Fläche gebracht werden müssen. Gleiches gilt beispielsweise für Technik, die Chirurgen körperlich entlastet: Der operierende Arzt steht ansonsten oft lange vornübergebeugt am Patienten, sodass viele Chirurgen massiv mit Rückenproblemen kämpfen.
Es müssen auch innerhalb der Regelversorgung Anreize dafür geschaffen werden, dass innovative Produkte und Verfahren überhaupt nachgefragt werden (vgl. auch oben, Kapitel 02, Anreize für den Einsatz).